Im Jahre 2017 hat sich das Bündnis #GegenBerufsverbot aus verschiedensten Organisationen und Einzelpersonen, die sich antirassistisch und antisexistisch engagieren, zusammengeschlossen, um sich für die Abschaffung jeglicher diskriminierender Berufsverbote in Deutschland einzusetzen.
Der Auslöser für die Gründung des Bündnisses war zunächst das Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005, das sogenannte Neutralitätsgesetz.
Das berlinweite Gesetz besteht seit 2005 und verbietet Menschen, die aus ihrem Glauben heraus sichtbare religiöse Kleidung tragen, den Zugang zu gewissen Berufen im öffentlichen Dienst, wie zum Beispiel der Polizei, der Justiz und des Lehramtes.
Das Gesetz ist neutral formuliert aber de facto ist dies ein Berufsverbot für muslimische Frauen* mit Kopftuch. Ursprünglich war das Gesetz eine Reaktion auf die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung von 2003, die besagte, dass die Ablehnung einer Lehrerin mit Kopftuch nur dann mit der Verfassung vereinbar ist, wenn es dazu ein entsprechendes Gesetz auf Landesebene gibt. Das heißt,es wurde mit der Absicht konzipiert, ein diskriminierendes Gesetz als Kopftuchverbot zu erlassen und dieses neutral zu formulieren damit es „verfassungskonform“ scheint.
Oft wird in der Debatte rund um das Gesetz behauptet, dass es um einen vermeintlichen Schulfrieden gehe (“Das Kopftuch erzeugt Konflikte an Berliner Schulen.”) oder dass eine sichtbare Muslima* im öffentlichen Leben nicht neutral oder ihr Kopftuch gar ein Symbol einer patriarchalen Gesellschaft sei.
Unser Bündnis möchte die Öffentlichkeit für diese Schieflage in den Debatten sensibilisieren. In der Praxisarbeit der vielen Beratungsstellen im Bündnis hat sich neben der juristischen Begleitung auch das Bedürfnis nach umfassenderer Unterstützung in Form von Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnenführung herauskristallisiert. Eine unserer Aufgaben ist es, die Öffentlichkeit regelmäßig auf den neuesten Stand der Debatte rund um das Gesetz in Berlin zu bringen und Infos zu aktuellen Gerichtsverfahren bereitzustellen.
Für muslimische Frauen* und andere religiöse Minderheiten bedeutet das sogenannte Neutralitätsgesetz nicht Neutralität, sondern ein Berufsverbot. Diese gesetzlich verordnete Benachteiligung ist unvereinbar mit grundrechtlichen Prinzipien, insbesondere der Religionsfreiheit und der staatlichen Verpflichtung zur Gleichstellung.
Es wird in den letzten Jahren oft über Vielfalt, Toleranz und Integration geredet.
Dem Bündnis ist es wichtig, unsere Institutionen und Gesetzgeber*innen an ihren eigenen Reden und Versprechungen und den grundgesetzlichen Vorgaben zu messen und darauf hinzuweisen, dass dieses Gesetz eine schwerwiegende systematische Ausgrenzung darstellt.
Der Staat unterstützt diese Ausgrenzung, indem er an dem sogenannten Neutralitätsgesetz festhält. Das führt dazu, dass Arbeitgeber*innen und die Gesellschaft sich, ebenfalls diskriminierend verhalten und keinerlei Unrechtsbewusstsein entwickeln. Das, was der Staat vorgibt, kann in ihren Augen nicht falsch sein.
Insbesondere aus feministischer Sicht ist eine solche Gesetzgebung zu verurteilen, denn eine selbstbestimmte Berufswahl gehört zu den Grundpfeilern, die eine Emanzipation erst ermöglichen. Ohne Beruf keine wirtschaftliche Selbstständigkeit, ohne wirtschaftliche Selbstständigkeit keine wirklich durchsetzbare Selbstbestimmung!
Als Bündnis setzen wir uns ein für:
- das Empowerment muslimischer Frauen*,
- eine selbstbestimmte Berufswahl Aller,
- die Chancengleichheit aller Frauen* in allen Berufszweigen,
- den Schutz muslimischer Frauen* vor antimuslimischer Hetze, Diskriminierung und Gewalt,
- die gleichberechtigte Vielfalt aller Lebensentwürfe und gesamtgesellschaftlichen Frieden,
- interreligiöse und interkulturelle Solidarität und
- den Schutz von demokratischen Freiheiten ohne Panikmache und Verschwörungstheorien.
Ein Angriff auf eine*n, ist ein Angriff auf alle! Diskriminierungen, die heute eine Gruppe treffen, treffen morgen eine andere Gruppe. Diskriminierungen spalten die Gesellschaft, bedrohen den gesellschaftlichen Frieden und fördern extremistische Strömungen.
Obwohl das Gesetz vor allem muslimische Frauen* mit Kopftuch betrifft, ist es wichtig, das Bündnis so breit wie möglich aufzustellen. Nur die Zusammenarbeit von verschiedenen Communities und Akteur*innen wird uns zum Ziel bringen.
Meldet Euch bei uns und seid Teil des Bündnisses!