“Allein das Tragen eines ‘islamischen Kopftuches’ begründet eine hinreichend konkrete Gefahr im Regelfall nicht. Denn vom Tragen einer solchen Kopfbedeckung geht für sich genommen noch kein werbender oder gar missionierender Effekt aus. Ein ‘islamisches Kopftuch’ ist in Deutschland nicht unüblich, sondern spiegelt sich im gesellschaftlichen Alltag vielfach wider.”
– Landesarbeitsgericht Berlin, 2017
Die Bewerbung
Eine Lehrerin bewirbt sich bei der Senatsverwaltung für Bildung Anfang 2015 sofort nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 01/2015[1]. Im April 2015 findet das Casting statt, anwesend waren nur Grundschulen. Während des Castings gegenüber allen Bewerber*innen darauf hingewiesen, dass es einen großen Bedarf für Lehrkräften an Grundschulen gibt. Die Klägerin wird im Casting auf das Berliner “Neutralitätsgesetz” (NeutrG) hingewiesen, aber die Vertreterin der Senatsverwaltung lehnt jegliche Diskussion über das Gesetz und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2015 ab.
Die Ablehnung
Die Bewerberin erhält die Ablehnung mit der Begründung, dass es keiner positiven Auswahlentscheidung durch eine der anwesenden Schulen und deren Schulleitungen kam.
Die Klage
Die Bewerberin hat ihre Ansprüche nach dem AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) Ende Juni 2015 geltend gemacht und im November 2015 eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung vor dem Arbeitsgericht Berlin erhoben. Daraufhin macht die Senatsverwaltung für Bildung der Klägerin ein Angebot für eine Einstellung an einer Berufsschule. Da die ursprüngliche Bewerbung auf eine Stelle an einer Grundschule war und nicht eine Berufsschule, lehnt die Klägerin das Angebot ab.
Am 14. April 2016 weist das Arbeitsgericht Berlin mit einem Urteil die Klage ab. Die Begründung lautet, das Gericht sei von der Verfassungswidrigkeit des sog. Neutralitätsgesetzes nicht überzeugt und das Gesetz soll deshalb zur Normkontrolle des Bundesverfassungsgerichts geprüft werden. Darüberhinaus behandele das sog. Berliner Neutralitätsgesetz alle Religionen und Glaubenskenntnisse gleich. Anders wie sog. Neutralitätsgesetze in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfahlen privilegiert das Berliner Gesetz keine christliche und abendländische Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen. Das Gericht erklärt auch, dass die Klägerin auch an Berufsschulen unterrichten könne.
Der Fall ist zunächst an da Landesarbeitsgericht gegangen. Am 9. Februar 2017 spricht das Gericht der Klägerin mit seinem Urteil das Recht zu. Sie erhält eine Entschädigung von €8.680. In seinem Urteil hebt das Gericht hervor, dass das sog. Neutralitätsgesetz verfassungskonform auszulegen ist und dass religiöse Kleidungsstücke nur bei einer hinreichend konkreten Gefahr für staatliche Neutralität oder den Schulfrieden untersagt werden können.
Obwohl eine Revision für das Land Berlin zugelassen wird, entscheidet sich die Bildungsverwaltung gegen eine Revision.