Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 27.08.2020 letzten Jahres die Verurteilung des Landes Berlin zur Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG bestätigt. Dies aufgrund der Verweigerung, eine angehende Lehrerin mit Kopftuch einzustellen. Das BAG hat die Bildungsverwaltung an die langjährige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) erinnert: Ein pauschales Kopftuchverbot ist verfassungswidrig. Die Praxis der Verweigerung der Einstellung wird von der Bildungsverwaltung jedoch fortgesetzt.Seit 2015 sind alle Bundesländer an die Entscheidung des BVerfG gebunden, dass das Tragen eines Kopftuchs durch eine Lehrerin grundsätzlich zugelassen werden muss. Viele Betroffene in Berlin wehrten sich gegen die Diskriminierung, bis das BAG letztes Jahr in einem Fall abschließend entschied und der klagenden Frau Recht zusprach. Dem Gerichtsurteil kommt über den Einzelfall hinaus eine grundsätzliche Bedeutung zu: Das sog. Neutralitätsgesetz muss einschränkend ausgelegt werden, eine pauschale Ablehnung aufgrund des Tragens eines Kopftuches ist nicht gerechtfertigt. Auch die durch das Land Berlin eingereichte Anhörungsrüge wurde durch das BAG mit Beschluss vom 27.05.2021 zurückgewiesen, auch diese Verfahrenskosten musste das beklagte Land tragen.Das Land Berlin missachtet in schwerwiegendem Maße diese Entscheidung und bringt die betroffenen Frauen weiter um ihre beruflichen Chancen. Bisher wurde keine einzige Lehrerin mit Kopftuch vom Bildungssenat eingestellt. Für die Betroffene ist es eine herbe Enttäuschung, dass der Berliner Bildungssenat trotz der eindeutigen Entscheidungen des BVerfG und des BAG an seiner rechtswidrigen Praxis festhält. Für sie bedeutet das, dass sie ihrem erlernten Beruf nicht nachgehen können, weil sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen – eine Entscheidung, die ihnen im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich verbürgten Religionsfreiheit zusteht. Dass ihnen nur wegen des Tragens eines Kopftuchs ihre Neutralität gegenüber den Schüler*innen abgesprochen wird, stößt auf Unverständnis und Ärger.Für Berlin, die als besonders divers und weltoffen geltende Hauptstadt, ist es ein Armutszeugnis, dass sich die religiöse Vielfalt der Schülerschaft nicht in den Lehrerzimmern widerspiegeln darf.
Mit der Fotoaktion „GeRECHTigkeit umsetzen!“ fordert das Bündnis #Gegenberufsverbot die Bildungsverwaltung auf, qualifizierte Erzieherinnen, Lehrerinnen, Quereinsteigerinnen und Sozialpädagoginnen nicht weiter um ihre beruflichen Chancen zu bringen. Den Landesgesetzgeber fordert das Bündnis auf, die verfassungsrechtliche Lage endlich ausdrücklich gesetzlich klarzustellen. Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin versammelten sich am Jahrestag der Entscheidung des BAG viele Betroffene und Menschen, die sich in der Debatte um das sog. Neutralitätsgesetz für menschen-, bürger*innen- und frauen*rechtliche Argumente einsetzen. Das Bündnis mahnt zudem an, dass kopftuchtragenden Frauen mit Verweis auf das Neutralitätsgesetz weit über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus der Zugang zu Berufen verwehrt wird. Ein offener Brief an die Bildungsverwaltung wurde in der anschließenden Kundgebung verlesen.
Einzelne Mitglieder*innen des Bündnisses sind Teil des „Wahlkompass Antidiskriminierung“, ein Zusammenschluss von Organisationen, die sich für Antidiskriminierungspolitik in Berlin stark machen. Für die berlinspezifische Problemlage des Ausschlusses von muslimischen Lehrkräften hat der „Wahlkompass Antidiskriminierung“ den Wahlprüfstein „Überarbeitung des Neutralitätsgesetzes“ eingebracht. Die Antworten sind bald auf deren Webseite abrufbar.